heute gab es mal etwas zeit, naja eigentlich nicht ;),

Um auf diese email zu antworten, welche ein besorgter Anwohner unserer Pillnitzer Wiese letzte Woche geschickt hat. Einer dieser Momente, wo man sich kurz selbst unverstanden fühlt, aber gleichzeitig das Übel dieser Welt versteht, aber lest selbst:

Lieber Herr F.,

es freut mich sehr, dass Sie diese alte Streuobstwiese schon über einen so langen Zeitraum beobachten können!

Unser Anspruch wird aber doch weitestgehend von der Wirklichkeit getragen. Gerne möchte ich Sie auf folgendes aufmerksam machen:

  1. Das Biotop Streuobstwiese ist eine Kulturlandschaft und entsteht nicht natürlich. Das wichtigste ist für uns nicht der Ertrag der Bäume, sondern die Erhaltung und Schaffung von, der Artenvielfalt dienenden, Lebensräumen. Wir sind davon überzeugt, dass dies auch mittelfristig dem Verhältnis von Aufwand/ Nutzen bezüglich des Ertrages helfen wird. Jegliches „Tun & Lassen“ von uns steht damit im Zusammenhang.
  2. Das bewusst auf der Wiese belassene Totholz (abgestorbene oder sterbende Obstbäume) bietet verschiedener Flora & Fauna seltenst gewordene Lebensräume. Wir haben u.a. den Nachweis des Käfers Eremit / Juchtenkäfer. Dieser ist auch in der FFH-Richtlinie der EU als prioritäre Art eingestuft. Vereinfacht dargestellt, hat dieser Käfer einen fast auf seinen „Wohnbaum“ eingegrenzten Aktionsradius und geht mit diesem meist verloren, da in der unmittelbaren Umgebung kaum Ersatzlebensräume verfügbar sind.
  3. Der von uns beseitigte Wildwuchs/ Küraß konnte nur durch jahrelange Vernachlässigung entstehen und gehört nicht zu einer Streuobstwiese. Da wir aber auch in diesem wichtige Lebensräume sehen, haben wir einige Inseln belassen um den Tieren dort einen Rückzugsort zu erhalten.
  4. Die sehr späte, zeitversetzte und nicht lückenlose Mahd ist ebenfalls dem Artenreichtum förderlich. Nur so können viele Pflanzen ausblühen und ihre Samen verteilen. Gerade bei Einjährigen ist dies die einzige Chance auf Vielfalt in einer Wiese (nebem dem Abräumen des Schnittes). Es ist auch keine mehrfache Mahd im Jahre notwendig. Wir verfolgen die extensive Nutzung. Aktuell haben wir an anderer Stelle einen Testlauf mit Beweidung durch Schafe und Ziegen. Es gibt daraus aber noch keine abschließende Meinung. Vielleicht können Sie aber schon 2020 unseren Schafen zuschauen 😉
  5. Die sehr trockenen Bäume, ob Altbestand oder unsere Neupflanzungen, resultieren kurzfristig gesehen aus dem Mangel an Niederschlag in 2018 und 2019. Langfristig scheinen sich aber durch den Strassenausbau (samt Entwässerung) in den 90er? Jahren oberhalb des Hanges, die hydrologischen Verhältnisse auf der Wiese stark verschlechtert zu haben. Hier würden mich natürlich sehr Ihre Erinnerungen zum Verlauf interessieren!
  6. Der Zaunbau, unser Dauerbrenner… / Gerade eben habe ich es wieder erlebt, dass Radfahrer auf der Straße vom Pillnitzer Pflanzenmarkt nach Oberpoyritz bereits Mitte Juli Birnen gepflückt haben, weil diese ja schon so schön aussehen. Es könnte ja sein, dass ausgerechnet dieses Jahr, anders als in den Tausenden Jahren davor, die Birne jetzt schon reif ist 😉 Ähnliches habe ich auch hier beobachten können. Jeder sieht natürlich nur die 1-2 Früchte die er selbst abreißt, kumuliert auf mehrere Wochen und zahlreiche Pflücker sieht das für uns etwas weniger gut aus. Davor schützt der Zaun jetzt unsere Bäume. Und auch die Neupflanzungen am ehemaligen Rodelhügel. Zudem wollen wir bei eines niemandem Picknick die Haftung für die Statik unserer Altbäume übernehmen. Der älteste Apfelbaum wurde übrigens von unserer Baumschule auf ca. 150 Jahre geschätzt.

Ich habe versucht alle denkbaren (noch immer unbekannten) Kritikpunkte konkret aufzugreifen und hoffe diese durch etwas Hintergrundbeleuchtung vielleicht entkräftet zu haben. Selbstkritik trifft uns eigentlich nur bei dem Umstand, dass wir es noch nicht geschafft haben, sämtlichen Altbestand komplett auszuschneiden. Es gibt leider nicht nur hier viel zu tun, aber im Frühjahr 2020 wird auch das vollständig geschafft sein. Der Mistelbefall ist sehr hoch und die Trockenheit 2019 war für einige (nicht nur alte) Bäume offenbar der „Gnadenschuß“.
Gerne können wir auch vor Ort persönlich alles weiterführend erörtern. Zögern Sie bitte nicht sich zu melden.

Beste Grüße
Ronald Andraczek

Von: Wolfgang F Wolfgang_F@xyz.de
Gesendet: Mittwoch, 10. Juli 2019 22:28
An: r@vonelbersdorf.de
Betreff: Wie passt das?

Sehr geehrte Damen und Herren, seit fast 50 Jahren hat diese Fläche noch nie so einen trostlosen Eindruck auf die Anwohner gemacht wie unter ihrem Besitz! Anspruch und Wirklichkeit klaffen leider sehr auseinander. Mit freundlichen Grüßen Wolfgang F

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